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Weg der Entschleunigung - Etappe 2: Gipfelge(h)nuss

Claudia Schallauer
17.09.2024

Tourendetails Etappe 2:

·       Start: Schwarzenberg am Hochficht

·       Ende: Holzschlag – Forsthaus Apartments

·       Weglänge: 20,9 km

·       Höhenmeter rauf: 845m

·       runter: 694m

 

Die sengende Hitze des Sommers ist vorbei – der Herbst ist mit all seiner Farbenpracht eingezogen. Ich dachte immer, dass es nichts Schöneres gibt, als die bizarre Mondlandschaft des Grenzgebietes Plöckenstein im Winter: wenn der Wind den frisch gefallenen Schnee am Gipfelkreuz „festnagelt“ und die Eiszapfen an den Bäumen märchenhafte Formen zaubern. Aber, da habe ich den Herbst im Böhmerwald noch nicht erlebt…

 

Zurück zum Start. Ein langer Tag liegt vor uns – wie lange, ist mir zwar kilometer- aber nicht wegmäßig bewusst. Wir erhalten ein frühes – unglaublich liebevoll angerichtetes und reichhaltiges Frühstück mit viel frischem Obst und dürfen unser Lunchpaket selbst zusammenstellen – dann geht es um 8:30 Uhr direkt vom Hotel Bergkristall los.

Die erste Station ist Oberschwarzenberg, welches wir nach knapp einer Stunde erreichen und, das wir als Parkplatz von unserer letztjährigen Schneeschuhwanderung kennen. Der Weg dorthin ist unerwartet schön: zuerst flach zum Eingehen auf Forstwegen, dann durch ein herrliches Waldstück, das uns zum ersten Mal heuer in Herbststimmung bringt. In Oberschwarzenberg treffen wir witzigerweise auf Bekannte, die genau ihre Unterkunft verlassen, als wir vorbeimarschieren…  die Magie des Weitwanderns…

 

Wir zweigen von der Hauptstraße steil in den Wald ab – mit dem nächsten Ziel vor Augen: der Teufelsschüssel – unserem 1. Kraftplatz nach dem Stift in Aigen-Schlägl. Dafür müssen etwa 200 hm erobert werden. Der Weg ist herrlich und bringt uns über Wurzeln und Steine, mit ganz kurzen Schotterweg-Unterbrechungen, aufwärts. Eine kurze Kraxelei auf die fast direkt am Weg liegende Teufelsschüssel schenkt uns das 1. Gipfelkreuzes des Tages.

 

Nun gibt es verschiedene Optionen: der Originalvorschlag des Wegs der Entschleunigung sieht vor, ausufernd über das Steinerne Meer zum Dreisesselberg zu wandern und von dort über den bayrischen (1.364m) zum österreichisch-tschechischen Plöckenstein (1.379m). Die Alternative wäre, das alles auszulassen und direkt zum höheren Plöckenstein zu wandern. Aber das wäre extrem schade.

 

Wir wählen die lange Variante. Was folgt ist ein Abschnitt, der uns verzaubert bzw. vor Zauber versteinert. Zwar war ich vor vielen vielen Jahren schon einmal hier, aber wie atemberaubend schön das Steinerne Meer ist, hatte ich nicht mehr annähernd würdig in Erinnerung. Mächtige Felsen, die scheinbar bis zum Himmel ragen und wir klitzeklein mittendrin. Es ist magisch. Grün gesprenkelte Steinriesen, davor Buschwerk in den Rostfarben des Herbstes, im Hintergrund die zackigen Zahnstocher-Stämme – die Landschaft ist surreal schön.

Zwar fotografieren wir sehr viel, aber auch wenn man darauf verzichtet, kommt man hier merklich langsamer voran als auf klassischen Wanderwegen, da absolute Trittsicherheit erforderlich ist. Etwa eine Stunde befinden wir uns in dieser „Kernzone“ das Meeres, aber auch danach ist der Weg nicht eben, sondern mit kleineren Steinen und Wurzeln durchzogen.

Wir erreichen nach einem kurzen idyllischen Mittagspicknick im Wald - den Dreisesselberg, zu dem Menschen von allen Himmelsrichtungen raufwandern, oder bequem mit dem Auto anfahren. Der Aussichtspunkt direkt beim gleichnamigen Gasthof ist panoramareich, aber ohne Gipfelkreuz. Darum marschiere ich noch die zehn Minuten weiter zum nur zehn Meter höheren Hochstein (1333m, Kreuz Nr. 2), erklimme die Stufen und lasse noch einmal den Blick in alle drei Länder schweifen. Aktuell befinden wir uns in Bayern.

 

Dann Aufbruch zum Gipfel 3, dem bayrischen Plöckenstein - ein neuer Gipfel für mich :-). Das knapp eine halbe Stunde später folgende Dreiländereck mit dem dreiseitigen Grenzstein kenne ich von einem Muttertagsbesuch von vor über 10 Jahren. Heute halten wir den Aufenthalt bei dem einladenden Picknicktisch kurz – es liegt noch etwa 1/4 des Weges vor uns und die Tage werden kürzer… Eine weitere halbe Stunde drauf sind wir auch schon beim Gipfel Nr. 4, dem tschechischen Plöckenstein. Während dieser im Winter oft menschenüberrannt ist, finden wir ihn in atmosphärischer Einsamkeit. Eingebettet in ein Gemälde aus grün-rotem Fundament und endlosem blau-weiß-grauem Firmament fühlen wir uns zeit- und raumlos hier.

Es muss wohl wirklich an den kraftvollen Plätzen liegen, dass wir immer noch halbwegs frisch den zuerst steilen, direkten Abstieg nach Holzschlag spielerisch meistern. Bei Nässe gibt es hier eine längere Alternative, die ich in diesem Fall definitiv empfehle. Heute sind die Bedingungen aber perfekt und wir marschieren über Stock und Stein Richtung Holzschlag. Als wir das kleine Zollhäuschen erreichen und wieder gänzlich österreichischen Boden betreten, können wir das erste Mal am heutigen Tag von der Konzentration abschalten. Eine breite, ebene Forststraße führt leicht abfallend die letzten zwei Kilometer zu unserer Unterkunft, dem Ereignishaus Holzschlag, das wir im sanften Licht der untergehenden Sonne erreichen.

 

Erst im Mai 2024 hat das Stift-Schlägl, dem diese Unterkunft gehört, im Nachbargebäude des „Erlebnishaus Holzschlag“ die Forsthaus Apartments eröffnet. Im Skandinavischen Stil errichtet, schenken diese gleich beim Betreten ein Gefühl von „Lagoom“ – ein Heimkommen in die Natur. Helles Holz, sanfte grau-blaue Töne bei den Stoffen, schlicht und dennoch einladend.

Unser Essen wurde uns netterweise in der Küche hinterlegt, da wir die Essenszeiten nicht mehr geschafft haben. Dieses und das Frühstück werden normalerweise im Haupthaus eingenommen…

 

Ein Film von farbenfrohen Bildern lädt ins nächtliche Kopfkino, der Alltag ist mittlerweile GANZ weit weg.

Kategorien Natur Bewegung Auszeit