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WEG DER ENTSCHLEUNIGUNG – Gipfelge(h)nuss pur in 4 Tagen auf 71 Kilometern
Gesamtweglänge: 70,3km; Gesamthöhenmeter: 2000
gpx-Daten von der Ferienregion Böhmerwald kostenlos zum Download
Hintergrund-Informationen
Den Weg der Entschleunigung gibt es seit ziemlich genau 10 Jahren, nämlich Oktober 2014. Er ist ein damals ganz neu konzipierter Weitwanderweg, der die „Ressource“ des Böhmischen Granit nutzt: seine Energie. Insgesamt 20 Kraftplätze liegen auf der Gesamtrunde der insgesamt 165 Kilometer langen Vollvariante des Wegs der Entschleunigung. Auf unserer 4-Tages-Variante gibt es 10, jeden Tag mindestens einen, meist die für den Böhmerwald typischen Steinformationen Schalen und Findlinge, aber auch Gipfelkreuze.
Tourendetails Etappe 1:
· Start: Aigen-Schlägl – Parkplatz Museum Kultur.Gut.OberesMühlviertel
· Ende: Schwarzenberg am Hochficht – Hotel Böhmerwaldblick
· Weglänge: 19,4 km
· Höhenmeter rauf: 263m
· runter: 67m
Wetterbedingt starten wir sehr kurzfristig einen Tag früher als geplant und können daher erst um kurz vor 11 Uhr in Aigen-Schlägl losmarschieren. Für den Zeitraum unserer Wanderung dürfen wir unser Auto beim Museum Kultur.Gut.Oberes Mühlviertel parken. Eine Öffi-Anreise ist von Linz aus gut und direkt möglich.
Mit Schlag der Kirchturmglocke wandern wir los, begleitet von einer angenehmen Brise Wind. Wir navigieren mit der App raus aus dem Ort und treffen schon bald auf das erste „Weg der Entschleunigung-Symbol" in Form einer Viererschleife, die auf gelben Tafeln in Pfeilform angebracht ist – mal mit der Beschriftung des Weges oder mit der Angabe des nächsten Hauptortes. Unser erstes Zwischenziel ist Klaffer, gefolgt vom Tagesziel Schwarzenberg – beides mit dem Zusatz „am Hochficht“ – dem Haus-Skigebiet der Einheimischen.
Ein Drache tanzt als Vorbote des Herbstes hoch am Himmel und die beiden Damen im ersten Auto, das uns auf Höhe des Freibades von Aigen-Schlägl entgegenkommt, winken uns freundlich. Wir fühlen uns willkommen. Und wie könnte man besser ins Mühlviertel eintauchen, als der namensgebenden „Großen Mühl“ zu folgen. Zuerst müssen wir erstmal einer Verlockung widerstehen – das lokale Naturbad umfasst nicht nur ein sehr einladendes großes Schwimmbecken, sondern integriert auch noch das Flusswasser – bei den viel zu heißen Temperaturen des ausklingenden Sommers sehr einladend.
Als Belohnung fürs tapfere Vorbei- und Weitergehen wechselt der Untergrund von Asphalt zu angenehmem Feldweg. Ein herrlich kühles Wegstück folgt – hier begrüßt uns ein flinkes Eichhörnchen, das sich wohl gerade Vorräte für die kühlere Jahreszeit anlegt. Nach einem sehr bunten, erlebnisreichen und hitzigen Sommer bringt der Herbst auch für uns Menschen die Ernte des laufenden Jahres. Zeit, um ein bisschen Muße walten zu lassen, zurückzublicken und die Weichen für das letzte Viertel zu stellen. Und wie fließen Gedanken besser als beim Gehen?
Wir folgen dem Wasser, tauschen den Wald gegen Wiese, wechseln das Ufer und unterbrechen schon nach etwa drei Kilometern für eine Mittagsrast bei einer einladend halbschattigen Bank direkt an der großen Mühl. Schließt man die Augen, hört man das plätschernde Wasser, eingebettet in eine Symphonie aus Naturgeräuschen von Wald, Wiese und deren Einwohner. Hier könnte ich ewig sitzen und lauschen. Eine Raupe gesellt sich zu uns auf die Bank, ich beobachte ihre meditativ-gleichförmige, ziehharmonika-artige Fortbewegung.
Erst kurz vor 13:00 Uhr marschieren wir weiter, ein neuerliches Naturbad in Ulrichsberg lädt zur Abkühlung – auf Etappe 1 könnte man eigentlich zwei Tage verweilen, denke ich. Ein heftiger Windstoß lässt die Blätter um uns tanzen und reißt mich aus den Gedanken. Ansonsten können diese fließen – wie das Wasser neben uns – da der Weg durchgehend beschildert ist und wir am gesamten Tag nur zweimal kurz zum Check die gpx-Daten konsultieren. Eine Wohltat und große Hilfe beim Ankommen im Moment.
Mit jedem Schritt lasse ich die Gedanken des Alltags hinter mir, vor allem Organisatorisches. Die Ereignisse der intensiven letzten Wochen ziehen mit den Wolken und geben meinen Kopf frei. Ich spüre pures Glück. Ich nenne sie entschleunigende Weite, die hügelige Landschaft, die bis zu Horizont reicht.
Da Siedlungen aus Verteidigungszwecken oft an höchsten Punkten entstanden sind, erfolgt der Großteil der Höhenmeter des heutigen Tages am Streckenende – Erinnerung an den niederösterreichischen Lebensweg kommen auf. Alpakas, Kühe, Pferde, Esel und Vögel geben ihr Bestes, um uns abzulenken und der Wind schiebt leicht von hinten.
Sehr viel bin ich gewandert diesen Sommer, allerdings mehr in die Höhe. Lange flache Wege sind nicht meine Stärke und ich spüre die Müdigkeit der Vorwochen. Rechts von uns erscheint der Hochficht mit seiner markant weißen „Kugel“, dann folgt eine kleine Andachtsstätte, die mich an die Stabkirchen in Norwegen erinnert. Hier wechselt der Boden wieder auf einen Feldweg, eine Wohltat nach einem etwas längeren asphaltierten Güterweg. Eine geschwungene Bank lädt uns zu einer letzten Rast – und wir sagen zu ????. Außer dem Abendessen, auf das wir uns schon sehr freuen, gibt es keinen Termin. Wir genießen die angenehme Wärme der Abendsonne, während wir die Beine auf der hölzernen Liege ausstrecken und auf einen Teil des Weges und die dahinterliegende Weite zurückblicken.
Kurz nach halb sechs erreichen wir Schwarzenberg und unsere heutige Unterkunft, das Hotel Bergkristall, wo uns der Chef Christian Eisner mit großer Gastfreundschaft empfängt. Nach einem kühlenden Getränk und einer wohltuenden Dusche sitzen wir hungrig vor einem liebevoll angerichteten Hauptgericht, österreichische Klassiker sind hier die Spezialität. Dazu ein knackiger Salat und ein regionales Bier – Wanderherz was willst du mehr?
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