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Tell-Trail Etappe 8: Von kleinen und großen Wundern

Claudia Schallauer
01.08.2024

Tag 9/10: Tell-Trail Etappe 8 - Lungern zum Brienzer Rothorn/ Hotel Rothorn Kulm

 

Es ist 15:30 Uhr – ich bin angekommen – mein Gepäck noch nicht. Dabei bin ich ziemlich spät aufgebrochen, und eigentlich einen Umweg und damit eine Stunde länger gegangen. Und noch am Gipfel rauf. Und noch zur Bahn für morgen reservieren…. Als ob ich das gewusst hätte, hab ich meinen Laptop heute morgen in den Wanderrucksack gepackt  - so kann ich die Zeit zum Schreiben nutzen.

 

Neben mir steht eine Tasse Kaffee, die dritte. Heute morgen fiel es mir wirklich schwer, in die Gänge zu kommen. Aber die Magie des schwarzen Zaubertranks hat schlussendlich gewirkt – und auch jene des B&B hat sich heute morgen offenbart. Nach dem effizienten, aber maschinellen Bildschirm-Check-In, wurde ich in der Früh herzlich von mehreren „Emmas“ empfangen und herzlichem Lächeln begrüßt. Dazu ein perfekter Kaffee, ein rosa-beeriges Birchermüsli, urige Deko zum Gucken und auch Kaufen – ein B&B wie es viele reisende Frauen selbst eröffnen zu träumen.


Nur, dass ich langsam aus diesem „aufwachen“ musste, was an diesem Tag irgendwie nicht so recht klappen wollte. Aber ich hatte auch keine Eile. Nun stand wirklich die 4-Stunden-Etappe an, die ich mir für den Vortrag schon herbeigesehnt hatte. Und laut Wetterbericht würde sich der Nebel erst ab 11 Uhr lichten. Und so ging ich einfach los, als ich gemütlich mein „Kreuzworträtsel im Bett“ beendet und einen Artikel fertig geschrieben, in Ruhe gefrühstückt, ein vorletztes Mal gepackt hatte und mich persönlich von den MitarbeiterInnen verabschiedet hatte. Ich bekomme ein liebevolles Lunch-Paket mit persönlicher Nachricht und einem selbstgemachten Kuchen.

 

Und dann marschiere ich bergab Richtung See. Ich hatte kurz überlegt, eine Morgenrunde Minigolf zu spielen – mich dann aber dagegen entschieden. Um bei Passieren der Anlage festzustellen, dass diese ohnehin erst am Nachmittag öffnet. Auch für einen Sprung in den See war es leider sowohl gestern als auch heute noch zu kühl und so gehe ich am Ufer flanierend direkt zur Seilbahn. Meine letzte bergauf. Auch diese ist im Tellpass enthalten. Mit mir gondeln noch fünf weitere Personen bergwärts, ebenso in der Hoffnung, dem Nebel zu entfliehen bzw. ihn zu durchbrechen. Dem ist leider nicht so und so betreten wir eine schemenhaft-weiß-graue Welt beim Ausstieg.

 

Gleich zu Beginn verwirrt mich ein Wegweiser, der in vier Stunden mein Ziel, das Brienzer Rothorn anzeige – allerdings nicht in meiner Richtung verläuft, der ich laut beiden Tracks folgen soll. Mein Weg führt über eine asphaltierte Serpentinenstraße zuerst bergab, um dann bergauf im Nebel zu verschwinden. Das erscheint mir wenig logisch und als Umweg, aber ich hab ja Zeit und will der Sonne ebensolche einräumen. Und so marschiere ich los, am sogenannten Schmetterlingspfad. Die zwei Schautafeln können definitiv nicht für den zementernen Untergrund wettmachen, und ich bin – zuerst – froh, als der Wanderweg abzweigt. Was folgt, wird leider nicht besser, sondern entpuppt sich als matschiger Wiesenweg. Sehr schön - ganz sicher – wäre der folgende Obwalder Höhenweg, wenn die Sicht über drei bis fünf Meter hinausgereicht hätte.

 

Stattdessen bin ich heute Gast in der „kleinen Welt“ der tropfenbesetzten Blüten und Blätter, die wie ein Märchenland der Feen wirken. Meine Kamera läuft heute fast mehr als ich, großteils im Makro-Modus.

 

Am Mändli erfreut mich zwar keine Panorama-Aussicht, dafür ein steinernes Kreuz. Es geht sanft immer weiter bergauf, sodass es trotz der feucht-nassen Luft nie kalt wird. Eigentlich freut sich mein Körper über dieses „anti-Sonnen“ Wetter, die in den Vortagen leicht verbrannte Haut kann ebenso durchatmen wie die Lunge, die die feuchte Atemluft dankbar aufnimmt. Nur die extrem nassen Hosenbeine stören mein Wohlgefühl kurz.

 

Um 13:15 beschließe ich ungeplant, doch etwas zu jausnen, als mich vor eine Kurve zufällig eine herrliche Rastbank mit einem geschnitzten Troll empfängt. In der Zeit, als ich mein Sandwich esse, bekomme ich Gesellschaft von sechs Personen, einer 3er-, einer 2-er Gruppe und einer Einzelperson. Jene, die von der Gegenrichtung gekommen sind, erzählen von leichtem Steinschlag in meine Weiterrichtung – mit dem „aufmunterndem“ Hinweis „einfach nicht stehen zu bleiben“. Ich versuche also, keine Pausen zu machen. Als ich den eng an den Häng geschmiegten Pfad entlangwandere, verstehe ich, was die Damen gemeint haben. Zwei Stellen erinnern sehr an ein gefallenes Steine-Domino – und auch drei weitere Steine fallen kurz hinter mir.

 

Dann folgt ein Stück, das bei schönen Wetter traumhaft sein muss – ein schmaler Grat, ähnlich wie an Tag 4, mit herrlicher Landschaft links und rechts, so male ich es mir zumindest aus. In Realität ist alles grau, ich erahne teilweise nur, wie steil es auf beide Seiten „runterpfeifft“. Ein kurzer Blick wird mir dann doch vergönnt, ein helltürkiser See, ich nehme an der Brienzer? – erscheint, dahinter lachen laut Peak Finder die hohen Gipfel des Berner Landes: Eiger, Mönch und Jungfrau. Ich male aus der Erinnerung deren Silhouetten, die ich mir wahrhaftig viele Male in meiner Zeit in Wengen eingeprägt hatte.

 

Das letzte Streckenstück fordert nochmal Höhenmeter, ich bin nun wach und freue mich, mich auszupowern. Und werde belohnt, als kurz vor mir Silhouetten von Steinböcken erscheinen. Welch edle Tiere! Dankbar für dieses Erlebnis schwebe ich noch auf das wenige Meter neben dem Hauptweg befindlichen Gipfeldreieck des Brienzer Rothorns, das mir seine Umgebung nicht verraten will. Nach einem kurzen Selfie lasse ich meine Beine bergab auslaufen bis zur Bergstation der Rothorn-Bahn, die gottseidank doch nicht ausgebucht ist morgen früh. Ich reserviere dennoch für acht Franken meinen Wunschzug – und zwar den späteren mit gutem Anschluss, sodass ich eine Morgenbesteigung mit Aussicht nachholen kann. Kurz überlege ich, heute einfach runter und hoch zu fahren mit dieser historischen Zahnradbahn, allerdings gibt es keinen freien Platz mehr bergauf. Und eigentlich bin ich ja auch komplett verschwitzt vom Endspurt.

 

 

Ich checke im drei Minuten entfernten Kulm Hotel ein, und da mein Koffer noch unterwegs ist, gönne ich mir einen warmen Kaffee und beginne zu schreiben… bis ich den Drang verspüre, mich kurz hinzulegen. Mein Körper ist wirklich müde.

Ein Klopfen entreißt mich – etwa 30 Minuten später? – der Nebelwelt meiner Träume und präsentiert mir meinen realen, bunt gefüllten Koffer. Nach der Dusche, in sauberer Kleidung genieße ich ein letztes Dinner for One, bevor ich mich in mich meiner Kontaktlinsen entledige und in einen Jogger schlüpfe.

 

Und noch einmal klopft sie an… die Sonne. Wie schon am Stanser Horn, schafft sie es auch heute, ein Fenster in den Nebelvorhang zu reißen. Ich überlege nur kurz und eile trotz meiner etwas verwahrlosten Erscheinung ins Freie, zurück zum Gipfel. Etwa eineinhalb Stunden stehe ich ehrfürchtig in Stille und beobachte, wie die Sonne inmitten des 360° Bergpanoramas untergeht. Die Welt ist ein Wunder.

 

Tag 9/10: Tell-Trail Etappe 8 - Lungern zum Brienzer Rothorn/ Hotel Rothorn Kulm

Etappeninfos:

  • Start/Ziel: Lungern/Hotel Rothorn Kulm
  • Strecke: 10 km, 1.050 hm bergauf, 290 hm bergab
  • benutzt: Luftseilbahn nach Turren
  • Highlights: Nächtigen im Hotel Rothorn Kulm --> Sonnenuntergang vom Brienzer Rothorn; Steinbock-Kolonien aus nähster Nähe, wenn man Glück hat; Höhenweg bei guter Sicht (die ich leider nicht hatte)
Kategorien Natur Bewegung Auszeit